Ab 2035 droht die Stromlücke: PwC warnt vor Versorgungslücke in Deutschland
Deutschlands Energiesystem am Kipppunkt
Die Energiepolitik Deutschlands steht vor einem kritischen Jahrzehnt. Der schrittweise Rückbau konventioneller Kraftwerke, gepaart mit ambitionierten Klimazielen, stellt die Versorgungssicherheit auf eine harte Probe. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC legt offen: Ohne massive Investitionen in neue Stromerzeugungsanlagen droht ab 2035 eine strukturelle Unterversorgung des deutschen Strommarkts. Die verbleibende Zeit für wirksame Gegenmaßnahmen wird knapp.
Die strukturelle Lücke – mehr als ein Rechenfehler
In ihrer Analyse zeigt PwC, dass das bestehende Kraftwerksportfolio schon in wenigen Jahren nicht mehr ausreicht, um Spitzenlasten sicher abzudecken. Besonders kritisch: Zahlreiche Kohlekraftwerke werden bis Mitte der 2030er-Jahre vom Netz genommen. Gleichzeitig hinkt der Ausbau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten hinter den politischen Zielsetzungen her. Die Folge ist ein strukturelles Missverhältnis zwischen Nachfrage und verfügbarer Leistung in Dunkelflauten.
Diese Konstellation ist kein bloßes Übergangsphänomen, sondern laut PwC der Vorbote einer systemisch wirksamen Stromlücke, die sich nicht allein mit Importen oder Speichertechnologien ausgleichen lässt.
Effizienz als kurzfristiger Rettungsanker
Ein zentraler Befund der Studie: Die Energieeffizienz muss zum Schlüsselinstrument werden. Durch gezielte Maßnahmen in Industrie, Gebäuden und Verkehr ließe sich der Strombedarf spürbar senken – ohne die Wirtschaftsleistung zu gefährden. Die Autoren sprechen in diesem Zusammenhang von einem „realistischen, aber bisher unzureichend genutzten Hebel“, der kurzfristig Wirkung entfalten könnte. So könnten nicht nur kritische Jahre überbrückt, sondern auch die Netzstabilität verbessert werden.
KWK und Biomasse als Brückentechnologien
PwC empfiehlt zudem, die vorhandenen Potenziale bei Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Biomasse rasch zu mobilisieren. Vor allem dezentral installierte KWK-Anlagen könnten mit moderater Förderung schnell realisiert werden und dazu beitragen, Ausgleichskapazitäten zu schaffen – etwa für kalte Wintertage mit geringer PV-Einspeisung. Die ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile solcher Brückenlösungen seien erheblich, heißt es. Bei ambitionierter Umsetzung könnten laut Studie mehr als 200 Millionen Tonnen CO2 bis 2050 vermieden werden.
Nachfrageflexibilität wird systemrelevant
Ein weiterer Baustein im Maßnahmenpaket ist das Demand Side Management. Flexibilität auf der Verbrauchsseite – etwa durch zeitversetztes Laden von E-Autos oder Lastverschiebung in der Industrie – könne das Stromsystem in den kommenden Jahren erheblich entlasten. PwC fordert daher nicht nur technologische Investitionen, sondern auch regulatorische Anpassungen, die flexible Verbraucher mit marktwirtschaftlichen Anreizen zur Anpassung ihres Strombezugs motivieren.
Politik unter Handlungsdruck
Die Kernaussage der Studie ist eindeutig: Ohne entschlossene politische Kurskorrekturen wird die Versorgungssicherheit gefährdet. Der bislang fragmentierte Ausbaupfad, die ausbleibende Investitionssicherheit für neue Anlagen sowie langwierige Genehmigungsverfahren bremsen die Energiewende aus.
PwC fordert ein koordiniertes Maßnahmenbündel: Klarere Ausbauziele, schnellere Planungsverfahren, Förderanreize für KWK und Effizienz sowie ein gesetzlich verankerter Rahmen für flexible Verbrauchsmodelle. Andernfalls droht eine Entwicklung, die nicht nur ökologisch bedenklich ist, sondern auch den Industriestandort Deutschland gefährdet.
Fazit: Der Ausstieg ist beschlossen – der Einstieg noch offen
Die Transformation des Energiesystems ist nicht mehr aufzuhalten. Doch der sichere Pfad in eine klimaneutrale Stromzukunft ist noch nicht gebaut. Die PwC-Studie ist ein dringlicher Appell an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, den Ausstieg aus der Kohleverstromung mit realistischen, zeitnah umsetzbaren Alternativen zu flankieren. Effizienz, flexible Systeme und pragmatische Brückentechnologien können dabei helfen, die Versorgungslücke zu schließen – wenn jetzt gehandelt wird.
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