Energiewende: Kurs ändern

Klimaneutralität und Energiewende –
Kurskorrektur dringend nötig
Industrie fordert Umdenken bei der Klimapolitik
Auf dem BDI-Klimakongress im Oktober 2025 wurde deutlich: Die deutsche Industrie stellt das Ziel der Klimaneutralität nicht grundsätzlich infrage – wohl aber den Weg dorthin. Der bisherige Kurs gilt vielen als überzogen, ineffizient und gefährlich für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland.
BDI-Präsident Peter Leibinger sprach von einem „fundamentalen Fehler“ der derzeitigen Klimapolitik:
„Der Staat versucht, den Weg zur Klimaneutralität bis ins Detail zu steuern. Dabei wird übersehen, dass Planwirtschaft Innovation verhindert. Wir brauchen Freiräume, nicht Verbote.“
Leibinger kritisierte die einseitige Fixierung auf Elektrifizierung und die Ausgrenzung anderer Technologien. Damit gerate die Transformation aus dem Gleichgewicht.
CO2-Emissionshandel – Marktinstrument oder Zukunftsbremse?
Der europäische Emissionshandel (ETS 1) galt lange als marktwirtschaftliches Herzstück der Klimapolitik. Doch nun wächst in der Industrie die Sorge, dass die geplante Abschaffung neuer Zertifikate ab 2039 das System zum Risiko macht.
Shell-Deutschlandchef Felix Faber warnte:
„Bleibt der CO2-Preis in seiner jetzigen Form bestehen, wird es die energieintensive Industrie in Deutschland in dieser Form nicht mehr geben.“
Vereinfacht lässt sich der Mechanismus so erklären:
Der CO2-Emissionshandel bedeutet, dass Unternehmen für jede ausgestoßene Tonne Kohlendioxid ein Zertifikat besitzen müssen. Diese Zertifikate werden an der Börse gehandelt. Je knapper sie werden, desto teurer wird der CO2-Ausstoß – und desto stärker steigen die Produktionskosten.
Schon heute erhält die Industrie rund 90 % ihrer Zertifikate kostenlos. Dennoch wächst die Angst vor einer „Klimableiweste“, wie es ein Teilnehmer nannte, die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit abwürgt.
BASF-Chef: Klimaziele realistisch anpassen
Auch Markus Kamieth, Vorstandsvorsitzender von BASF, fordert mehr Realismus.
„Viele Wertschöpfungsketten können bis 2039 schlicht nicht dekarbonisiert werden“, warnte er.
„Ob Deutschland 2045, 2047 oder 2048 klimaneutral wird, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass wir den Hochlauf von Klimatechnologien schaffen.“
Kamieth befürchtet, dass Unternehmen Emissionsrechte horten werden, sobald das Ende des Systems absehbar ist – mit drastischen Preissteigerungen als Folge.
BDI-Analyse: Energiewende aus dem Tritt
Der Bundesverband der Deutschen Industrie knüpft mit seiner aktuellen Studie „Energiewende auf Kurs bringen“ an frühere Transformationspfade an. Die Kernaussage: Ohne strukturelle Reformen droht Deutschland wirtschaftlich den Anschluss zu verlieren.
Die Studie benennt hohe Energiepreise, ineffiziente Steuerung und fehlende Investitionsanreize als Hauptprobleme. Gaspreise liegen laut BDI bis zu fünfmal höher als in den USA, Strompreise bis zum 2,5-fachen. Das gefährdet besonders energieintensive Branchen wie Chemie, Stahl und Glas.
Zudem sei die Energiewende durch eine „Elektrifizierungslogik ohne Maß“ aus dem Gleichgewicht geraten. Der BDI fordert eine bessere Koordination von Strom-, Wasserstoff- und Molekülwende sowie eine Kosteneffizienz-Offensive.
Eine optimierte Planung könne laut Studie bis 2035 rund 300 Milliarden Euro einsparen und die Strompreise für Industrie und Haushalte um bis zu 20 % senken.
Fazit: Kurskorrektur statt Symbolpolitik
Der BDI-Klimakongress markiert einen Wendepunkt in der deutschen Industriepolitik. Die Unternehmen fordern keine Abkehr vom Ziel der Klimaneutralität, wohl aber eine Rückkehr zur Vernunft und zur ökonomischen Realität.
Die Energiewende braucht Mut zum Umdenken: weniger Ideologie, mehr Technologieoffenheit. Nur wenn Klimaschutz mit Wettbewerbsfähigkeit vereinbar bleibt, kann der Wandel gelingen – nicht als Bleiweste, sondern als Motor einer neuen industriellen Stärke.
Kaum beachtet:
Die wissenschaftliche Avantgarde –
Das MCC und das Evangelium der CO2-Bepreisung
Im Zentrum der intellektuellen Architektur des Mercator-Netzwerks steht das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Es liefert nicht nur wissenschaftliche Forschung, sondern entwickelt und propagiert das zentrale politische Instrument, das die gesamte Klimastrategie des Netzwerks untermauert: die CO2-Bepreisung. Das MCC fungiert als wissenschaftliche Speerspitze, die politische Lösungen konzipiert und mit der Autorität der Wissenschaft legitimiert…
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Titelfoto: © Johannes Plenio auf unsplash.com (Ausschnitt)