Die Hütte brennt
Nicht nur die Hütte brennt – auch das Fundament
Die Monopolkommission fordert ein Umdenken – doch die Politik bleibt auf dem Irrweg
Der jüngste Artikel in den Schaumburger Nachrichten vom 5. November 2025 („Wie die Energiewende bezahlbar werden soll“) hat eine überfällige Diskussion ausgelöst. Die Monopolkommission legt den Finger in die Wunde: Der Strommarkt ist aus dem Gleichgewicht geraten, Subventionen lindern nur die Symptome.
„Gut, dass das Wirtschaftsministerium erkannt hat, dass die Hütte brennt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands. Tatsächlich aber brennt längst das Fundament – denn Deutschland hat sich mit seiner Energiepolitik in eine strukturelle Sackgasse manövriert.
Struktur statt Subvention
Der geplante Industriestrompreis ist ein Notpflaster für ein krankes System. Die Monopolkommission weist darauf hin, dass Marktmechanik, Netzentgelte und der Ausbau der Erneuerbaren nicht mehr zusammenpassen. Anstatt die Ursachen zu bekämpfen, werden mit Subventionen immer neue Kostenrisiken geschaffen.
Der Bau von 30 bis 40 Gaskraftwerken bis 2030, wie von der Bundesregierung angekündigt, gilt unter Fachleuten als unrealistisch. Die großen Hersteller von Gasturbinen sind weltweit ausgebucht. Bereits heute fehlen in Deutschland nach Berechnungen der Bundesnetzagentur bis zu 21 Gigawatt steuerbare Leistung – das entspricht rund 70 Kraftwerken.
Wirtschaftliche Vernunft statt Symbolpolitik
Wie Prof. Dr. Fritz Vahrenholt analysiert, setzen andere Industrieländer auf planbare, regelbare Energiequellen – Deutschland hingegen versucht, mit immer neuen Umlagen und Sonderabgaben ein fragiles System zu stabilisieren. Zur Finanzierung der Energiewende wird über eine Strom-Sonderabgabe von bis zu 2 Cent pro Kilowattstunde nachgedacht. Was für den Privathaushalt nur eine moderate Zusatzbelastung scheint, bedeutet für energieintensive Betriebe einen erheblichen Wettbewerbsnachteil. Während andere Nationen ihr Wachstum auf Versorgungssicherheit gründen, droht Deutschland mit immer höheren Kosten die industrielle Basis zu gefährden.
Bundesnetzagentur: Industrie als Lückenfüller?
Besorgniserregend sind die Pläne, die Produktionszeiten der Industrie stärker an Wind und Sonne anzupassen. Was als „Flexibilisierung“ bezeichnet wird, würde de facto bedeuten, dass Chemie-, Glas- oder Metallbetriebe künftig nur noch dann produzieren sollen, wenn genügend Ökostrom verfügbar ist. Eine solche Politik untergräbt die Wettbewerbsfähigkeit ganzer Branchen. Statt planbarer Rahmenbedingungen gibt es technologische Vorgaben und bürokratische Eingriffe – mit unkalkulierbaren Folgen für Arbeitsplätze und Investitionen.
Globale Realität ignoriert
Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Der weltweite Verbrauch an Kohle, Öl und Gas steigt weiter. Während Deutschland einseitig auf einen beschleunigten Ausstieg aus fossilen Energien setzt, planen viele Länder den Bau neuer Kraftwerke – auch, um den steigenden Energiebedarf durch Digitalisierung und Datenzentren zu decken. Die Folge: Deutschlands Einfluss auf die globalen Emissionen bleibt gering, die wirtschaftlichen Folgen hingegen massiv.
Neue Belastung ab 2027
Hinzu kommt der neue EU-Emissionshandel (ETS II), der ab 2027 auch private Haushalte und kleine Betriebe erfasst. Der Preis für CO2 wird künftig an der Börse gehandelt und könnte laut Prognosen bis 2040 auf über 250 Euro pro Tonne steigen. Damit drohen weiter steigende Kosten für Heizen, Mobilität und Produktion – ohne dass die strukturellen Probleme des Strommarkts behoben wären.
Fazit
Die Monopolkommission liefert die richtigen Impulse:
- Reform der Netzentgelte – fair, dynamisch und verursachergerecht.
- Beschleunigte Digitalisierung – einfache Smart-Meter-Lösungen statt Bürokratie.
- Mehr Wettbewerb bei Ladeinfrastruktur und Fernwärme.
Doch solange die Bundesregierung an einer politisch gesteuerten Energiewende festhält, die Kosten verlagert statt Strukturen zu modernisieren, bleibt Deutschland auf einem riskanten Kurs. Die Erkenntnis liegt auf dem Tisch – es fehlt nur der Mut, sie umzusetzen.
Nachtrag: EU verschiebt den Start des ETS 2 auf 2028
Stand: 5. November 2025
Wichtige Meldung aus Brüssel: Die Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten einigten sich darauf, den Start des europäischen Emissionshandels für den Verkehrs- und Gebäudesektor (ETS 2) um ein Jahr auf 2028 zu verschieben. Damit soll den stark schwankenden Energiepreisen Rechnung getragen werden.
Ursprünglich sollte das neue System bereits 2027 beginnen und den nationalen CO2-Preis ersetzen. Deutschland plant nun für 2026 eine auktionsbasierte Übergangsregelung, bei der Zertifikate zwischen 55 € und 65 € pro Tonne ersteigert werden können; ein Festpreis von 68 € greift nach Ausverkauf der Auktionsmenge. Für Unternehmen bedeutet dies eine zusätzliche Unsicherheit, da die künftigen Zuschlagspreise kaum kalkulierbar sind.
Die Verschiebung soll in das EU-Gesetz zur Festlegung der Klimaziele bis 2040 integriert werden. Das EU-Parlament muss noch zustimmen; eine Entscheidung wird bis Jahresende erwartet. Neben der Terminverschiebung verständigten sich die Minister auf ein EU-weites Minderungsziel von 90 % bis 2040 (gegenüber 1990). Bis zu fünf Prozentpunkte dieser Einsparungen dürfen über internationale Zertifikate erbracht werden – ein Kompromiss, den Deutschland und die Niederlande auf maximal drei Prozentpunkte begrenzen wollten.
Der Aufschub des ETS 2 verschafft kurzfristig Luft, ändert aber nichts an der langfristigen Kostenentwicklung. Für Verbraucher und Betriebe bleibt der CO2-Preis ein entscheidender Faktor – auch ohne sofortige EU-Regelung.
Leserbrief
Nicht nur die Hütte brennt!
Leserbrief zum Artikel „Wie die Energiewende bezahlbar werden soll“ vom 5. November.
Gedruckt: Schaumburger Nachrichten und Schaumburger Zeitung – 8. November 2025.
„Gut, dass das Wirtschaftsministerium erkannt hat, dass die Hütte brennt“, wird der Hauptgeschäftsführer des Chemieverbands zitiert. Ja – aber nicht nur die Hütte brennt, sondern auch das Fundament. Die Monopolkommission benennt endlich, was viele Fachleute seit Jahren fordern: Der Strommarkt funktioniert nicht mehr. Subventionen wie der geplante Industriestrompreis lindern die Symptome, aber sie heilen die Ursachen nicht.
Die Kommission weist zu Recht auf die Gefahr einer schwindenden Versorgungssicherheit hin. Wenn gleichzeitig regelbare Kraftwerke vom Netz gehen und Ersatz nur auf dem Papier existiert, droht ein gefährlicher Engpass. Die geplanten Gaskraftwerke werden in diesem Jahrzehnt kaum realisierbar sein – schon heute fehlen Kapazitäten und Hersteller.
Das Gutachten zeigt, wie dringend eine marktwirtschaftliche Reform nötig ist: Netzentgelte sollten sich am tatsächlichen Nutzen für das Netz orientieren – wer stabilisierend wirkt, zahlt weniger. Auch der Abbau bürokratischer Hürden bei Smart Metern und mehr Wettbewerb bei Ladeinfrastruktur und Fernwärme wären echte Fortschritte.
Was jedoch kaum öffentlich diskutiert wird: Ab 2027 kommt der neue europäische CO2-Handel für Brennstoffe. Damit wird Energie für Haushalte und Betriebe weiter teurer – ohne dass die strukturellen Probleme des Strommarkts gelöst sind.
Wenn die Regierung das Gutachten der Monopolkommission ernst nimmt, wäre das der erste Schritt zu einer ehrlichen Energiewende: bezahlbar, berechenbar und technologisch machbar.
Manfred Bartsch
Lauenau

Abo-Empfehlung
Titelbild: freepik.com – symbolisch für Versorgungssicherheit.

