Mehr Windräder für den Aus-Knopf?

Leserbrief
Zum Artikel „Windbranche warnt Bundesregierung vor Irrwegen“ vom 19. Juli 2025 – Schaumburger Nachrichten.
Gedruckt: Schaumburger Nachrichten und Schaumburger Zeitung – 26. Juli 2025.
Wenn man den aktuellen Appell der Windkraft-Lobby liest, wirkt es so, als würde der Ausbau erneuerbarer Energien absichtlich gebremst. Doch ein Blick auf die Realität im Stromnetz zeigt ein anderes Bild. Die Zahlen aus dem ersten Halbjahr 2025 sind deutlich – und sie sind alarmierend.
Obwohl erneuerbare Energien so viel Strom wie nie zuvor ins Netz eingespeist haben, ist der Börsenstrompreis um etwa 30 % gestiegen. Gleichzeitig mussten zahlreiche Wind- und Solaranlagen abgeregelt werden. Im ersten Halbjahr 2025 kam es zu über einer Million Redispatch-Eingriffen. Dabei wird die Stromerzeugung gedrosselt oder zusätzliche Kraftwerke gestartet, um eine Netzüberlastung zu verhindern. Diese Eingriffe sind teuer und zeigen deutlich: Unser Stromnetz stößt an seine Grenzen.
Der Grund: Wir haben nicht zu wenig Windräder – wir haben ein Verteilungsproblem. Es fehlt an Infrastruktur, um den Strom dorthin zu bringen, wo er gebraucht wird. Stattdessen bezahlen wir für Strom, der nicht genutzt werden kann, und subventionieren weiter alte Solar- und Windkraftanlagen. Die EEG-Förderung kostete den Steuerzahler im ersten Halbjahr 2025 rund 7,4 Milliarden Euro – obwohl viele Anlagen kaum zur tatsächlichen Stromversorgung beitragen konnten.
Die Bundesregierung handelt nachvollziehbar, wenn sie einen Ausbau fordert, der das Stromnetz berücksichtigt. Dass Lobbyverbände wie BWE und VDMA Power Systems Alarm schlagen, ist wenig überraschend. Es geht ihnen vor allem um Investitionen und Gewinne. Doch wenn Redispatch-Maßnahmen um 14 % steigen und es 424 Stunden mit negativen Strompreisen gibt, ist nicht „mehr Ausbau“ die Lösung. Was wir brauchen, sind bessere Planung und mehr Vernunft.
Anstatt den Strombedarf schöngerechnet zu beklagen oder pauschal auf die Zukunft der Elektrifizierung von Industrie, Rechenzentren und KI zu verweisen, sollte eine ehrliche Bilanz gezogen werden. Wachstum braucht Struktur. Und diese Struktur – sprich das Netz – fehlt vielerorts. Was hilft ein Windrad mehr, wenn sein Strom nicht ins Netz passt?
Ein Aussetzen des Ausbaus neuer Windkraftanlagen, solange keine ausreichende Netzkapazität nachgewiesen ist, wäre kein Rückschritt, sondern ein Akt der ökonomischen und technischen Vernunft.
Manfred Bartsch
Lauenau
