Grüner Kolonialismus

Rentierhaltung siegt über Windkraft in Norwegen
Das Oberste Gericht Norwegens hat in einer historischen Entscheidung die Baugenehmigungen für Europas größtes Onshore-Windenergieprojekt für ungültig erklärt. Die Richter stellten den Schutz der traditionellen Rentierhaltung des indigenen Volkes der Samen über die Interessen der Energiewende und schufen damit einen Präzedenzfall für die Rechte indigener Gruppen (Oktober 2021).
Im Zentrum des Urteils stehen die beiden großen Windparks in Storheia und Roan in Mittelnorwegen. Der Oberste Gerichtshof in Oslo entschied, dass die Genehmigungen für den Bau und den Betrieb der insgesamt 151 Windräder widerrechtlich waren. Die Anlagen verletzen die Rechte der Samen auf Ausübung ihrer Kultur, die seit Jahrtausenden auf der Rentierhaltung basiert.
Schutz indigener Kultur nach UN-Recht
Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit einem Verstoß gegen Artikel 27 des UN-Zivilpakts. Dieser internationale Pakt garantiert ethnischen Minderheiten das Recht, ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen. Das Gericht stufte die traditionelle Aufzucht und Nutzung von Rentieren durch die Samen als eine solche schützenswerte kulturelle Praxis ein. Die Windräder auf den Weidegründen der Tiere würden diese traditionelle Lebensweise stören und seien daher illegal.
Unklare Zukunft und Forderung nach Abriss
Welche konkreten Folgen das Urteil hat, ist noch unklar. Die Anwälte der Rentierzüchter fordern den vollständigen Abriss der 151 Windräder, da deren Betrieb nun als illegal gilt. Das norwegische Energieministerium erklärte, die Entscheidung des Gerichts mache eine „Klärung der Situation erforderlich“ und kündigte weitere Informationen zu einem späteren Zeitpunkt an.
Der Betreiber der Windparks, Fosen Vind, zeigte sich „überrascht“ von dem Urteil und betonte, die Anlagen seien auf Grundlage offizieller Genehmigungen errichtet worden.
Internationale Konzerne betroffen
Das Urteil hat auch direkte Auswirkungen auf deutsche und schweizerische Investoren. Das Großprojekt mit einem Volumen von 1,12 Milliarden Euro wird von einem Konsortium betrieben, an dem mehrere Unternehmen beteiligt sind:
- Der Windpark in Roan wird von Roan Vind betrieben, einem Unternehmen, das den Stadtwerken München, TrønderEnergi und Nordic Wind Power gehört.
- Am Windpark in Storheia ist neben norwegischen Unternehmen und einem Infrastrukturkonsortium auch die Schweizer Energiefirma BKW beteiligt.
Bedeutung des Urteils
Auch wenn das Urteil für andere Landwirte in Europa kaum Relevanz haben dürfte, da es sich spezifisch auf den Schutz anerkannter indigener Minderheiten stützt, hat es eine hohe Signalwirkung. Anwälte und Vertreter der Samen betonen, dass die Entscheidung künftige Entwicklungsprojekte in den samischen Rentiergebieten beeinflussen wird, darunter Minenbau oder große Straßenbauprojekte.
Mit Dank an die Informanten für diesen Rückblick auf die Ereignisse im Oktober 2021.
Ursprung des Titels
„Grüner Kolonialismus“ – Aktivismus, Protest und globale Aufmerksamkeit (2023) – Bestandteil einer ausführlichen Gemini-Recheche (Juni 2025).